Am 27. September 1989 treffen sich Menschen bei Pfarrerin Inge de Boor zur Tea Time. Es ist die Gründungsstunde des Neuen Forums in Hagenow. Lehrer, Ärzte, Pfarrer, sie alle wollen etwas in der DDR verändern. Arbeitsgruppen werden gegründet und am 9. November 1989 gehen schließlich erstmals Menschen in Hagenow auf die Straße. Das Neue Forum hat für 19 Uhr zum Friedensgebet in der Kirche aufgerufen. Anschließend gibt es einen Schweigemarsch mit Gedenken an der ehemaligen Synagoge.
10.000 Menschen protestieren gegen die DDR-Regierung, für mehr Demokratie und für Reisefreiheit – im Sperrgebiet. Die Stasi beobachtet die Demonstrant*innen genau. Eines wissen zu diesem Zeitpunkt aber weder die Hagenower Demonstrant*innen noch die Stasi-Mitarbeiter*innen…
Die Freude kennt in den kommenden Tagen keine Grenzen. Zu den kirchlichen Treffen und Arbeitsgruppen des Neuen Forums kommen in den nächsten Wochen aber immer weniger Menschen. Viele sind im Westen und jetzt mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Doch wie soll es weitergehen in Hagenow? Was wird aus den Zielen und Forderungen des Neuen Forums? Was aus den Hoffnungen der Aktivist*innen, eine neue Gesellschaft mitgestalten zu können?
Etliche Mitstreiter*innen entscheiden sich fürs Weitermachen. Ein Büro wird angemietet und man tritt bei den Kommunalwahlen an, die im Mai 1990 in der gesamten DDR stattfinden. Nicht alle scheinen begeistert über die neue Wahlmöglichkeit. Steine fliegen durch die Fensterscheibe des Wahlbüros und am Wahlabend landet das Neue Forum abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die Enttäuschung ist groß, aber auch als Opposition hat man jetzt im Stadtrat zumindest den direkten Draht zu den anderen Parteien.
Irene de Boor und Barbara Gubalke gehen in den vergangenen 30 Jahren ganz unterschiedliche Wege. Barbara Gubalke ist noch viele Jahre in der Kommunalpolitik tätig, gründet eine Musikschule, ein Hospiz und ist als Kinderärztin für die Menschen da. Irene de Boor begleitet als Pfarrerin Trauernde, junge Familien und setzt sich weiter für das ein, was 1989 ihr größter Beweggrund dafür war, aktiv zu werden: Schule so zu gestalten, dass Kinder in ihrer Vielfalt gestärkt werden und nicht normiert wieder rauskommen.